Letztens bin ich bei einem Gin bei dem Begriff "Craft" hängen geblieben, oder genauer, beim Begriff "Craft Gin". Es ist nicht nur der weit verbreitete Roku Gin aus Japan, der diesen Begiff auf seinem Etikett hat. Das hört sich wunderbar an, geht sprachlich runter wie Öl und gibt dem Produkt einen edlen Anschein. Schließlich hat der Verbraucher ja auch gelernt, dass Craft Beer aus kleinen Häusern kommt, mit handwerklicher Liebe gebraut wird und ein tolles Geschmackserlebnis am Ende steht. IM ERNST? Das einzige, was in Deutschland Bier defininiert, ist das Reinheitsgebot, sonst nichts! Hinter dem Begriff "Craft" steckt nur cleveres Marketing, um ein Produkt besser zu verkaufen, aber keine Vorgaben für Qualität!
Blicken wir genauer hin und bleiben zunächst einmal beim Bier. Wir sind in Deutschland, das Reinheitsgebot entstand 1516 und ist damit die älteste, immer noch gültige Vorgabe des Lebensmittelrechts, das besagt, was drin sein darf - und alles andere automatisch ausschließt. Warum also sollten die Deutschen eine Vorgabe mit einem englischen Begriff neu einführen, der für handwerklich, zünftig steht? Richtig, nämlich gar nicht und das bringt einen sehr schnell zu dem Ursprung des Begriffs "craft beer", der aus den USA stammt und dort tatsächlich eine Definition vorgibt, wessen Produkte "craft beer" heißen müssen: Die Brauereien müssen "small, independent, traditional" sein, also klein, unabhängig, traditionell.
Bohren wir nach: Dahinter steht die amerikanische Brewers Association, die aktuell (Stand Anfang 2021) 5.300 Mitglieder hat. Und wer dann mal Revue passieren lässt und sieht, wer alles Craft Beer herstellt, weiß auch: Von den kleinen Brauereien gehören manche längst einem Konzern und sind damit nicht wirklich unabhängig. Aber gut, sie sind vermutlich nicht Mitglied im amerikanischen Verband, rechtlich geschützt ist der Begriff meines Wissens nach auch nicht. Die Regeln sind beim Verband selbst ziemlich großzügig. Maximal 25 Prozent der Anteile dürfen anderen gehören, Größe heißt, dass sie nicht mehr als sechs Millionen Barrel Bier ( 1 Barrel = 159 Liter) im Jahr brauen dürfen - aber ist das wirklich klein? Und traditionell...der Brauer muss eine TTB-Lizenz haben, also ein Zertifikat des Alcohol and Tabaco Tax Büro, der amerikanischen Steuerbehörde. Fazit: Es klingt geil, verkauft sich geil, ist aber nur eine Definition eines Verbandes, der daran interessiert ist, zu verkaufen,
Das bringt einen auch zurück zum Gin. Auch hier ist der Begriff "Craft Gin" nichts anderes als ein Marketingfeuerwerk oder auch schlicht eine Nebelkerze, die dem Verbraucher Sachen einredet, die keinen Rückhalt haben. Selbst der Begriff "handwerklich", der darin enthalten ist, lässt sich durchaus dehnen. Denn so manche moderner Brauerei und auch Brennerei kann Prozesse auch schon durch eine App steuern - auch wenn das für wirkliche Brenner und echte Handarbeiter tabu ist.
Was sich Gin nennen darf, dafür gibt es übrigens wirklich eine Definition. Die nennt sich schlicht Spirituosenverordnung, wenn man den langen Namen, den die EU dieser Verordnung gab, nicht nennen will. Wer sich schon immer gefragt hat, warum viele Gins exakt 37,5 Prozent Alkohol haben, findet die Antwort dort. Und noch eine wichtige Definition steht darin: Der vorherrschende Geschmack muss vom Wacholder kommen. Denken wir oder zumindest die erfahrenen Gin-Kenner kurz nach, ob das wirklich für alle auf dem Markt herrschenden Produkte mit dem Wort "Gin" auf dem Etikett gilt. Darüber werde ich in der nächsten Woche schreiben. Bis dahin gilt: Immer schön Maß halten und...